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Das Magazin von Physiobern

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Interview mit Beatrix Hurni – Physiotherapeutin und Grossrätin im Grossen Rat des Kantons Bern

Politische Aktivitäten

Interview mit Beatrix Hurni – Physiotherapeutin und Grossrätin im Grossen Rat des Kantons Bern

"Sprecht mit den Leuten über unseren Beruf – alle können so dazu beitragen, die Sichtbarkeit der Physiotherapie zu stärken!" - Michaela Hähni im Austausch mit Beatrix Hurni

Wie bereits bei der Generalversammlung im Januar dieses Jahres angekündigt, ist nun erstmals eine Physiotherapeutin im Berner Grossrat vertreten: Beatrix Hurni. In ihrer ersten Frühlingssession 2024 hielt sie ein überzeugendes Votum für die Physiotherapie und unterstützte damit unser erstes Postulat – «Taxpunktwert endlich der Teuerung anpassen» – mit großem Engagement. Wir haben Beatrix gefragt, wie sie ihr neues Amt erlebt und welche Eindrücke sie bisher gewonnen hat. Im folgenden Interview gibt sie uns spannende Einblicke in ihre Arbeit und Perspektiven.

 

Kannst du uns kurz etwas zu deinem Werdegang als Politikerin sagen? Wie wurdest du Berner Grossrätin?

Im Jahr 2022 wurde ich von der SP gebeten, als Listenfüllerin für die Wahl zum Berner Grossrat zu kandidieren. Damals hatte ich jedoch nicht vor, eine Wahlkampagne zu führen, sondern wollte mich voll und ganz auf meine Kandidatur für den Gemeinderat in Frutigen konzentrieren. Überraschenderweise landete ich auf dem ersten Ersatzplatz und musste mich plötzlich mit der Möglichkeit auseinandersetzen, doch noch in den Grossrat nachzurücken. Ende 2023 war es dann tatsächlich so weit: Ich konnte für Ursula Zybach, die in den Nationalrat gewählt wurde, im Grossen Rat ihren Sitz übernehmen. Heute bin ich sowohl Frutiger Gemeinderätin als auch Berner Grossrätin. (Mindestens ein Drittel der Mitglieder des Berner Grossrats sind gleichzeitig auch in einer Gemeinde oder Stadtregierung tätig.)

 

Was war damals deine Motivation, dich politisch zu engagieren?

 

….der SP im Oberland ein Gesicht zu geben. Im Kandertal ist die SP kaum vertreten, die politische Ausrichtung ist doch eher konservativ dominiert.  Zudem war die SP Frutigen während 12 Jahren nicht mehr im Gemeinderat vertreten. Mir war es wichtig, die Sicht der SP in der Lokalpolitik einfliessen zu lassen.

 

Hat sich diese in der Zwischenzeit geändert, resp. weiterentwickelt?

Ja, jetzt setze ich mich vor allem für die Sachpolitik ein. Das heisst, es geht mir nicht mehr primär darum, die Ziele einer Partei zu vertreten, sondern jene der Gemeinde – (also in meinem Fall in der Kommission «Soziales, Jugend und Gesundheit».)

Im Grossen Rat setze ich mich für beides ein – dort bleibt die Parteipolitik auch ein wichtiger Faktor. Die Parteipolitik im Kanton zu vertreten ist für mich noch Neuland – ich setze mich lieber für eine Sache ein.

 

Was sind deine Ziele im Bereich kantonaler Gesundheit?

Die regionale Grundversorgung – also v. a. die ländliche - ist eines meiner Hauptanliegen. Dafür setze ich mich sowohl kommunal als auch kantonal ein und dazu gehört natürlich auch die Physiotherapie!

 

Wie nimmst du die Position der Physiotherapie im Vergleich zu anderen Berufsgruppen im Grossen Rat wahr?

Da ich erst seit knapp einem Jahr dabei bin, ist vielen gar nicht bewusst, dass ich Physiotherapeutin bin. Wenn es dann jemand erfährt, höre ich oft Reaktionen wie «Wow – nimmst du nächstes Mal eine Liege mit an die Session...?»

An meinem ersten Tag im Grossratsaal musst ich feststellen, wie unergonomisch die Sessel dort sind – sie sind «antik/historisch» und deshalb geschützt, die Sitzfläche hängt aber richtig durch. Somit habe ich am nächsten Tag ein Keilkissen mitgenommen. Dies wurde sehr positiv wahrgenommen (die Zeitung «Frutigländer» hat sogar in einem Bericht darüber geschrieben). Einige Ratskolleg:innen kauften dann auch ein Keilkissen und nehmen es nun zu jeder Sitzung im Ratssaal mit.

 

..auch im Vergleich zu anderen Gesundheitsberufen wie z. b. Ärzt:innen, Pflegende und wie auffällig bringen diese ihre Themen ein?

Im Bereich «Soziales und Gesundheit» werden viele Vorstösse eingebracht, oft initiiert durch Verbände oder über Gemeinden. Pflegende treten im Rat insgesamt präsenter auf als Ärzt:innen und Physiotherapeut:innen, die nur in geringer Zahl vertreten sind. Allerdings vertreten die meisten Ratsmitglieder nicht ausschliesslich ihren Beruf, sondern bringen Anliegen und Probleme aus der Bevölkerung ein. Die Themenvielfalt zeigt, dass der Gesundheitsbereich für viele von grossem Interesse ist, unabhängig von der beruflichen Zugehörigkeit.

 

Nimmst du die anderen Gesundheitsberufe eher als unterstützend für die Physiotherapie wahr oder herrscht da auch eine gewisse Konkurrenz?

Die Antwort ist eindeutig – die Personen stehen der Physiotherapie sehr wohlwollend gegenüber – oft erschrecken sie, wenn man sie über unsere Situation aufklärt. Der Stellenwert ist gut und auch die Akzeptanz im Rat. Dies hat auch der Erfolg des Postulats von Anita Herren in der Frühlingssession 2024 gezeigt. Wir erhalten zweifelsohne Unterstützung für unseren Berufsstand. Konkurrenz unter den Gesundheitsberufen habe ich bisher nur erlebt, wenn es um den direkten Wettbewerb zwischen Berufsgruppen geht (wie z.B: die Selbstdispensation der Ärzt:innen ->  einschneidende Folgen für die Apotheker:innen).

 

Gerade bei der Pflegeinitiative war (und ist) da ja eine gewisse Befürchtung, dass man nur auf die Pflege schaut und andere Berufsgruppen nicht mitberücksichtigt. Kannst du da etwas dazu sagen?

Die Pflege steht schon im Vordergrund – auch medial. Deshalb bleibt sehr wichtig, dass wir uns immer wieder bemerkbar machen. Die Sichtbarkeit der Physiotherapie zu stärken, ist enorm wichtig. Sonst werden Problematiken - wie z. B. der Fachkräftemangel - nur in der Pflege wahrgenommen.

 

Oder wie ist es bei den Hausärzt:innen? Setzen sich diese auch für andere Gesundheitsberufe wie zum Beispiel die Physiotherapie ein?

Wenn man mit einem Vorstoss kommt, ja.

 

Gab es etwas Überraschendes in deinem ersten Jahr als Grossrätin?

Leider geht es teilweise nicht nur um die Sache, sondern z.T. auch um die Person oder Partei. Das finde ich extrem schade. Denn dabei gehen das «miteinander-Lösungen-finden» und eigentliche Ziel verloren.

 

Gibt es etwas, was du uns Berner Physiotherapeut:innen (oder: Vorstand Physiobern) gerne noch mitteilen möchtest?

Engagiert euch in der Politik! Und sprecht mit den Leuten über unseren Beruf – alle können so dazu beitragen, die Sichtbarkeit der Physiotherapie zu stärken!