Delegierte
Studiensuche leichtgemacht
So klappt es mit der Orientierung im Forschungsdschungel
Wie in den meisten Bereichen der Forschung nimmt die Anzahl publizierter Studien im Fachbereich der Physiotherapie exponentiell zu. Allein mit dem Suchbegriff «physiotherapy» werden auf PubMed, der grössten Suchplattform für Studien im Bereich der Biomedizin, 248’979 Suchtreffer angezeigt. Davon wurden 14’598 im Jahr 2023 veröffentlicht.
Abbildung 1: Zunahme der jährlichen Publikationen auf PubMed mit dem Suchbegriff «physiotherapy» von 1913 bis 2025. Eine Entwicklungskurve, die in vielen Bereichen der medizinischen Forschung ersichtlich ist. Total werden 248’997 Einträge gelistet, davon wurden im Jahr 2023 14’598 Artikel veröffentlicht.
Es scheint also nachvollziehbar, dass die Suche nach Studien gezielt durchgeführt werden muss. Eine gezielte Suche wird oft durch die Definition einer konkreten Fragestellung erreicht. Hierzu wurde in der 1. Ausgabe/2024 von PhysioActive ein illustrativer Artikel publiziert. In dem Artikel wird ein pragmatischer Ansatz für die fokussierte Studiensuche dargelegt.
Eine andere Konsequenz aus der grossen Masse an neu publizierten Studien ist die Synthese von Einzelstudien zu Übersichtsarbeiten (Systematische Reviews, Meta-Analysen). Diese Synthese wird idealerweise von Fachgruppen mit sowohl wissenschaftlicher als auch klinischer Expertise durchgeführt. Somit werden die Studienresultate in einem klinischen Kontext analysiert. Die mühselige Arbeit, jede Einzelstudie zu analysieren, wird der vielbeschäftigten Gesundheitsfachperson sozusagen abgenommen. Eine wichtige und unabhängige Organisation, welche Übersichtsarbeiten erstellt, ist die Cochrane Stiftung. Eine Gruppe von motivierten Physios hat eine Datenbank mit Übersichtsarbeiten von Cochrane im Themenbereich der Physiotherapie erstellt.
PEDro (Physiotherapy Evidence Database) ist eine weitere Datenbank für Studien im Themenbereich der Physiotherapie. Diese Datenbank wurde von einer Gruppe Physios aus Australien ins Leben gerufen, um die evidenzbasierte Physiotherapie zu fördern. Ein besonderes Merkmal der Datenbank ist, dass alle Studien mittels der PEDro-Skala auf ihre Qualität überprüft werden.
An dieser Stelle ist auch die Serie «Physiotherapie wirkt» von Physiobern zu erwähnen. Aufgrund von ausgewählten Fragestellungen wurden Zusammenfassungen der aktuellen Studienlage erstellt. Die Resultate sind frei zugänglich.
Für die Leserschaft, welche sich mit den «originalen», frisch publizierten Studien beschäftigen möchte, empfehle ich spezifische Fachzeitschriften im Bereich der Physiotherapie zu durchstöbern. Wenn man sich auf eine Fachzeitschrift fokussiert, ist die Masse an Artikeln überschaubar und man kriegt einen sehr guten Eindruck, was für Themen in der Forschung aktuell relevant sind. Dies kann, so finde ich zumindest, sehr inspirierend sein.
Hier eine kleine Auswahl von etablierten Fachzeitschriften (in englischer Sprache) im Bereich der Physiotherapie, welche komplett oder teilweise gratis (Open Access) verfügbar sind:
Fachzeitschrift Link
- Englischer Physiotherapieverband
- Australischer Physiotherapieverband
- US Physiotherapieverband
- Ortho & Sportphysiotherapie
- Physiotherapie – Theorie und Praxis
Und nun viel Spass beim Analysieren, Beurteilen und Überdenken. Die Interpretation von Studien braucht Zeit und Geduld. Speziell in Bezug auf die klinische Praxis muss man sich beim Lesen immer wieder die Frage stellen: Haben die Studienergebnisse eine Relevanz für die Patientin, welche morgen wieder vor mir steht? Was kann ich davon mitnehmen? Wie gut ist die Studienqualität?
All diese Faktoren lassen erahnen, dass die Aneignung von neuem Wissen durch Studien ein fortwährender, sich stetig wandelnder und zeitintensiver Prozess ist. Dabei darf man nicht vergessen, dass die wissenschaftliche Evidenz, neben den individuellen Patientenbedürfnissen und der klinischen Erfahrung, ein ebenbürtiger Pfeiler der evidenzbasierten Praxis darstellt.
Abbildung 2: Wissenschaftliche Studienlage im Kontext von evidence based practice (EbP). Die wissenschaftliche Datenlage bildet hierbei einen ebenbürtigen Pfeiler zu den individuellen Bedürfnissen von Patienten und der klinischen Expertise. Dieses Modell muss auch bei der Interpretation von Studienresultaten stets im Hinterkopf behalten werden.