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Das Magazin von Physiobern

Lesedauer ca. 5 Min.

Der Weg von Physiobern zum ersten Postulat

Politische Aktivitäten

Der Weg von Physiobern zum ersten Postulat

An der Herbstsession des Berner Grossrats im Jahr 2021 konnten wir einen erfolgreichen Sessionsanlass zu den Themen «Ambulant vor stationär – die Rolle der Physiotherapie» und den Resultaten aus der Umfrage von Physiobern: «Wie geht es den Berner Physiotherapeut:innen?» durchführen.

In der anschliessenden Diskussionsrunde konnten wir unter anderem mit der Berner Grossrätin Anita Herren-Brauen (Die Mitte) ein erstes Mal Kontakt knüpfen. Zwischenfazit: Wir wurden gesehen.

Eineinhalb Jahre später, an der Frühlingssession des Berner Grossrats im Jahr 2023 konnten wir einen zweiten Sessionsanlass mit dem Titel «Die Kosten steigen in der Physiotherapie – sind wir zu teuer? » organisieren. Wir kommunizierten folgende konkrete Forderungen: 1. Integrierte Versorgung - mit Beteiligung der Physiotherapie - im Kanton Bern vorantreiben, 2. Kantonaler Taxpunktwert Physiotherapie erhöhen, 3. Kompetenzen für Physiotherapie im Kanton Bern erweitern (z. B. erweiterte Rollen, Advanced Physiotherapy Practice (APP) und Direktzugang). Hier wurden unsere dringlichen Anliegen klar gehört und die Grossrätin Anita Herren-Brauen (Die Mitte) kam proaktiv auf uns zu, um gemeinsam ein überparteiliches Postulat zum Thema «Teuerungsausgleich in der Physiotherapie» einzureichen (Teuerungsausgleich in der Physiotherapie). Das Hauptziel, welches damit verfolgt wurde, war, den Stellenwert der Physiotherapie in der Berner Gesundheitspolitik zu erfassen und zu verbessern. 

Das Postulat beinhaltet folgende Anträge:

  1. Der Regierungsrat zeigt auf, welchen Handlungsspielraum er hat, im Wissen um seine subsidiäre Kompetenz, den Taxpunktwert für die Physiotherapie im Kanton Bern an die Kostenentwicklung der letzten Jahre anzupassen.
  2. Der Regierungsrat zeigt auf, welche weiteren Möglichkeiten er hat, um die finanzielle Situation in der Physiotherapie auf kantonaler Ebene zu verbessern (ggf. im Sinne einer Übergangslösung).
  3. Der Regierungsrat zeigt auf, wie er sicherstellen will und kann, dass in den kommenden Jahren aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen die Versorgungslücke im Bereich der ambulanten Physiotherapie nicht weiter aufgeht.

Die Erarbeitung dieses Postulats war eine herausfordernde aber äusserst lernreiche Arbeit für uns. Einmal mehr schätzten wir die professionelle Unterstützung der Politagentur «polsan» sehr. Auch die professionelle und wohlwollende Zusammenarbeit mit der Grossrätin Anita Herren-Brauen war sehr wertvoll und wir sind dankbar für ihre erfahrene Unterstützung. Sie konnte zudem erreichen, dass Grossrätinnen von der Mehrheit der Parteien das Postulat mitunterzeichneten (Anita Herren-Brauen, Die Mitte; Nora Soder, Grüne; Sibylle Plüss, FDP; Meret Schindler, SP; Melanie Gasser, GLP; Katja Streiff, EVP; Nadja Günthör, SVP).

 

Anita Herren-Brauen (Die Mitte)

 

Ein erster Erfolg konnte erzielt werden, indem das Postulat durch den Berner Grossrat in der Wintersession 2023 als dringlich eingestuft wurde. Das Geschäft wurde deshalb bereits in der Frühlingssession 2024 des Berner Grossrats behandelt. Physiobern hat den Berner Grossrät:innen die persönliche Empfehlung zum Postulat «Tarife der ambulanten Physiotherapie endlich der Teuerung anpassen» (Sessionsempfehlungen) vor Beginn der Frühlingssession schriftlich zugestellt und ist auf viel positive Resonanz gestossen.

Trotz der aktuell gesundheitspolitisch schwierigen Situation und der negativen Antwort des Regierungsrates (z. B.: «Die Zuständigkeiten liegen hier einzig bei den Tarifpartnern und beim Bundesrat (Art. 43 KVG)..»), wurde das Postulat erfreulicherweise vom Berner Grossrat mit einer Zweidrittelmehrheit deutlich angenommen und nicht direkt wieder abgeschrieben, wie es der Regierungsrat empfohlen hatte. Physiobern freut sich über die positiven Abstimmungsresultate der Debatte (Details: Politische Aktivitäten Physiobern) und schätzt die grosse Resonanz und Unterstützung des Berner Grossrats zur aktuell schwierigen Situation der Physiotherapie sehr. Treffende Worte zur prekären Finanzierungssituation der Physiotherapie, aber auch Worte der Wertschätzung gegenüber dem Berufsbild der Physiotherapie sind von den Berner Politiker:innen anlässlich der Frühjahrssession als Aufzeichnungen der freien Debatte im Grossrat zum Nachschauen verfügbar (Aufzeichnungen Frühjahrssession). 

Wunderbar, der Grosse Rat des Kantons Bern hat den dringenden Handlungsbedarf in der Physiotherapie erkannt! Er hat das Postulat «Tarife der ambulanten Physiotherapie endlich der Teuerung anpassen» von Anita Herren-Brauen in allen drei Punkten deutlich angenommen und die vom Regierungsrat beantragte Abschreibung abgelehnt. Der Regierungsrat muss nun innerhalb der nächsten zwei Jahre in einem ausführlichen Bericht zu unseren Fragen Stellung nehmen. Das heisst, der Regierungsrat muss nun aufzeigen:

  • welchen Handlungsspielraum er hat, im Wissen um seine subsidiäre Kompetenz, den Taxpunktwert für die Physiotherapie im Kanton Bern an die Kostenentwicklung der letzten Jahre anzupassen.
  • welche weiteren Möglichkeiten er hat, um die finanzielle Situation in der Physiotherapie auf kantonaler Ebene zu verbessern (ggf. im Sinne einer Übergangslösung).
  • wie er sicherstellen will und kann, dass in den kommenden Jahren aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen die Versorgungslücke im Bereich der ambulanten Physiotherapie nicht weiter aufgeht.

Es ist klar, dass die Tarife in der Physiotherapie angepasst werden müssen. Ihre Berechnungsgrundlagen sind 30 Jahre alt, mit den Tarifen von damals können Kosten und Löhne von heute nicht mehr gestemmt werden.

Nun gilt es auf diesen ersten, aber wichtigen, Zwischenresultaten aufzubauen, vertieft zu analysieren und weitere politische Schritte im Kanton Bern anzugehen. Im Moment haben wir zwar noch keinen Rappen mehr in der Tasche, aber politisch wichtige Vorarbeiten konnten, wie vorher beschrieben, erfolgreich abgeschlossen werden. 

Neu seit diesem Jahr ist auch eine Physiotherapeutin als Grossrätin im Berner Parlament vertreten. Wir freuen uns sehr über diesen wichtigen Schritt und sind bereits erfolgreich mit der Zusammenarbeit gestartet. Beatrix Hurni (SP) hat sich während der Debatte im Ratssaal mit überzeugenden Argumenten für unser Postulat eingesetzt (Aufzeichnung Frühjahrssession) – ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle nochmals an dich, Trix.